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August 2006


Im Saarland soll es künftig Apothekenketten erlaubt sein, Filialen zu eröffnen. Die Abda, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, will dagegen zu Felde ziehen. Getreu ihrem Motto “Auf deutschem Boden darf nie wieder eine Apotheke schließen” pochen die Funktionäre auf altes Ständerecht und versuchen, ihren unsäglichen Einfluß auf das Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten. Bloß keine Konkurrenz! Daß Apotheken längst bei der marktwirtschaftlich organisierten Konkurrenz im Ausland einkaufen, ist der Aberwitz. Nur Kunden und Krankenkassen sollen weiterhin auf die hochpreisliche Pillengilde angewiesen bleiben. Während jede Form der Fürsorge privatisiert wird, berufen sich die Apotheker auf ihre hoheitliche Gewinngarantie. Wenn sich in dieser Kaste nicht sehr bald ein Portiönchen Vernunft einstellt, darf man wohl sicher sein, daß die unaufhaltsame ausländische Konkurrenz die biederen deutschen Pharmazeuten überrollen wird.

Die amerikanische Zivilgesellschaft muß im Folterprozeß gegen David Passaro zeigen, wie weit die Bush-Doktrin die Wirklichkeit bereits bestimmt oder ob Rechtsstaatlichkeit noch über dem präsidialen Diktat steht. Es geht um einen Fall, in dem ein Gefangener zu Tode gefoltert wurde. Vorausgesetzt, die Schuld des Angeklagten würde bewiesen, drohen ihm bis zu 40 Jahre Haft. Das ist in einem Land, in dem noch die Todesstrafe verhängt wird, schon ein Indiz für die Richtung, in die es gehen kann. Der Vorwurf lautet auf “Gewalttätigkeit”, nicht etwa Mord. Dabei handelt es sich wohl um eine Art Sachbeschädigung an Terrorverdächtigen.

Der Bundesschutzengel für Reaktorsicherheit reagiert prompt auf den Beinahe-GAU in einem schwedischen AKW. Er läßt jetzt prüfen, ob in deutschen AKWs dasselbe passieren könnte. Daß er das jetzt prüfen läßt, zeigt dem Kenner: Er ist Politiker. Die handeln nämlich immer sofort, wenn es gerade wieder zu spät ist. Daß er prüfen läßt, ob dasselbe passieren könnte, zeigt, daß er keine Ahnung hat. Denn “Sicherheit” bedeutet, das Unvorhersehbare zu kalkulieren. Es wird irgendwann etwas völlig anderes passieren, wenn auch mit demselben furchtbaren Resultat.
Daß dieses, der sogenannte “GAU”, in Kauf genommen wird, zeigt, daß alles seinen Preis hat. Die Währung in diesem Fall heißt “Menschenleben”, da hat der Zyniker seine Freude.
Daß das Geschacher um Restlaufzeiten vom Ereignis völlig unbeinflußt bleibt, zeigt schließlich, wer wirklich etwas zu sagen hat. Dem Umweltminister wird nämlich bestenfalls die Ehre zuteil, alle paar Jahre symbolträchtig ein Knöpchen zu drücken.

Die alte europäische Aufklärung, man sollte es nicht für möglich halten, ist so aktuell wie selten zuvor. Auf dem Markt der Überzeugungen tummeln sich in diesen Zeiten reaktionäre und menschenverachtende Ansichten, die an Dummheit und Brutalität nicht zu überbieten sind, dabei ist ihnen allen gemein, daß sie behaupten, Gott auf ihrer Seite zu haben. Das geistige Mittelalter hat Konjunktur und erinnert uns daran, daß Freiheit und Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern täglich neu erkämpft werden müssen. Während religiös motivierte Amokläufe in den U.S.A. noch halbwegs amüsant sein können, hört der Spaß spätestens auf, wenn der Präsident eines EU-Staates die Wiedereinführung Todesstrafe fordert. “Katholiken” nennen sich diese. Da wir Papst sind, sollte uns das zumindest peinlich sein. Daß sich Juden und Muslime ebenfalls im Namen des Allherrschers gegenseitig umbringen, daran hat man sich bereits gewöhnt. Es ist an der Zeit, das Faß wieder aufzumachen und deutlich zu machen: Wo Gott lebt, stirbt zuerst die Freiheit und dann der Mensch. Die aufgeklärte Toleranz gegen die Religionsausübung ist Resultat einer grandiosen kulturellen Entwicklung. Sie darf nicht wieder umschlagen in den Irrglauben, es seien die Ungläubigen, die von den Eiferern toleriert werden oder auch nicht. Religion hat in der Politik nichts verloren. Dafür sollten sich aufgeklärte Menschen nachdrücklich einsetzen.

Daß der GAU von Tschernobyl nur den betrunkenen Russen passieren konnte, weil sie nichts von Sicherheit halten, weiß jeder, der sich bei den Stromversorgern aus erster Hand über Kernkraft, deren große Chancen und das minimale Restrisiko informiert hat. Daß jetzt in Schweden ein historischer beinahe-GAU glücklich ohne Kernschmelze endete, zeigt, daß AKWs nach wie vor total sicher sind. Wenn selbst ein so unwahrscheinlich unwahrscheinliches Ereignis keinerlei Schaden verursacht, ist es Zeit, zu vertrauen. An dieser Stelle sind Dankgebete erlaubt.
Wie wir wissen, haben Atomkraftwerke alle mehrere Sicherheitssysteme und Notkühlungen. Blöd gelaufen, daß alle gleichzeitig ausfielen.
Schließlich bleibt uns hierzulande allerdings noch der Trost, daß deutsche Kraftwerke die sichersten der Welt sind. Noch sicherer als alle anderen. Versprochen!

Der drittklassige Science-Fiction-Autor und erstklassige Sektengründer Ron L. Hubbard wirft einen langen Schatten unter der tiefstehenden Sonne des deutschen Bildungssystems. Seine Jünger unterwandern die deutsche Schülerschaft. Mit Nachhilfeangeboten wollen Scientologen arme Pisaschwächlinge manipulieren, auf daß sie die Lehre des großen Philosophen (“Make money, make more money!”) hören und verbreiten. Diese Form organisierter Gehirnwäsche kennt man sonst nur von einer Institition, die die Herrschaft von Männern in Frauenkleidern propagiert und sich für ein weltweites Verbot von Kondomen einsetzt. Oder von der Klingeltonmafia. Alles im grünen Bereich, möchte man meinen.
Ist Panik angebracht? Erst einmal bis zehn zählen, denn Scientology hat nichts zu bieten, das sie attraktiv macht. Wer ernsthaft glaubt, Kinder und Jugendliche würden sich von dem Dianetik-Gefasel der abgebrochenen Titane beeindrucken lassen, kennt wohl keine mehr. Und wenn Scientology auf die Idee kommt, Kinder so auszubeuten wie ihre Mitglieder unterer Ränge, hätte man eine feine rechtliche Handhabe gegen die Organisation. So what?

Fidel Castro (79) macht Urlaub von der Macht. Ob sein Feriendomizil noch die Intensivstation ist oder schon die Pathologie, stand zu Redaktionsschluß nicht fest. Damit kommt, zumindest kurzfristig, endlich ein Jüngerer an die Macht: Sein Bruder Raul, 75. Die Revolution bleibt also nicht nur jung und frisch, sondern auch in der Familie. Wie war das noch? Die Revolution brachte Arbeiter und Bauern an die Macht, befreite sie von ihren Unterdrückern und installierte einen paradiesischen Zustand. Kenner des karibischen Kommunismus wissen: Auf Cuba heißen alle Arbeiter und Bauern “Castro”. Für den Rest gibt’s weiterhin Magerquark und im Fernsehen stundenlange Ansprachen. Das wird womöglich auch so bleiben, wenn der Führer sich demnächst die Paradieschen von unten beguckt. Mein Beileid!

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