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März 2006


Das “WM-Jahr” interessiert mich nicht. Ich bin weder ein ausgesprochener Fetenmuffel noch jemand, der keine Ahnung von Fußball hat, aber das Ereignis, das keines ist, nervt, schlimmer noch als Weihnachtssterne im September.
Zum Beispiel Radio: Seit Monaten halten Werbeagenturen es für eine Supiidee, unschuldige Autofahrer vor den Nachrichten hysterisch anbrüllen zu lassen. Alles, was irgendwie so zurechtgebrochen werden kann, daß es etwas mit Fußball zu tun haben könnte, wird derart angepriesen. Für die Hörer ist das purer Streß, müssen sie doch während der Fahrt Zettel und Stift bedienen, um zu notieren, was sie nie wieder kaufen wollen.
Zum Beispiel Politik: Alle müssen plötzlich vom Fußball reden statt ihren Job zu machen und so tun, als hätten sie schon immer gewußt, was Abseits ist. Mir ist wurscht, ob Merkel das Wunder von Bern kennt, solange sie uneseren Soli nicht dorthin überweist.
Was ist überhaupt mit Fußball? Haben sich die Experten eigentlich je gefragt, wer Jürgen Klinsmann ist und was er vorhat? Offenbar nicht. Warum ist die deustche Abwehr so löchhrig? Warum setzt er ständig unerfahrene Verteidiger ein? Wie konnte es geschehen, daß die ganze Welt weiß: Da kannst du beim Durchspazieren ruhig einen Haken extra schlagen – die tun nix!?
Liebe Fußballfreunde, der Mann ist Stürmer! Abwehrspieler kann er nicht leiden. Die Typen, die ihm seine historische Torflaute beschert haben, müssen jetzt endlich bluten.
Laßt ihn also besser die Spiele 4:3 gewinnen, dann wird alles gut. Und für alle, die nicht auf dem Platz stehen heißt es: Klappe halten und an die Arbeit!

Beim Waffenschmuggel in den Irak habe Iran die Finger im Spiel, so will es der US-Präsident. Bush behauptet: “einige der Bomben der Rebellen im Irak oder dafür verwendete Bauteile stammten aus Iran.”
Genau, und der größte Teil der Importe aus dem Ausland. Daß für seine Behauptung “Beweise fehlen”, kann nur Anlaß zu größter Besorgnis sein. Worum genau geht es? Daß nicht alle Waffen im Land selbst hergestellt werden, darf man annehmen. Ebenso ist es nicht unwahrscheinlich, daß über die Grenze zu Iran Waffen ins Land kommen, ebenso aus Syrien, Jordanien und sogar der Türkei. Man sucht aber nach Beweisen für Waffen aus dem Iran.
Was machen wir dann mit dem Beweis? Wir präsentieren ihn der Öffentlichkeit. Was machen wir mit der Öffentlichkeit? Wir erzählen ihr Gruselgeschichten. Und dann tun wir, was wir immer schon tun wollten.
Offenbar wird der Präsident allmählich senil. Iran entwickelt Massenvernichtungswaffen. Das ist derzeit in aller Munde und bedarf keines Beweises. An Beweise aus dem Pentagon glaubt ohnehin kein Mensch mehr. Colin Powell ist in Rente. Was soll also der Spuk?
Wenn er einen Grund sucht, in Iran einzumarschieren, hat er den längst. Sollte er aber wirklich nach der Herkunft der Waffen im Irak fragen, schlage ich vor, George am Ohr zu ziehen und ihn einmal streng anzusprechen: “Woher werden derzeit die meisten Waffen in den Irak eingeführt? Na? Aha!”

Wie letzte Woche gemutmaßt, geht das Gemerkel weiter. Jetzt hat sie “zu einer Expertenrunde mit den wichtigsten DFB-Vertretern geladen“, um den Deutschen Fußball auszudiskutieren. Das wird sicher helfen. Das Innenministerium und das Auswärtige Amt haben bereits Unterstützung zugesagt und wollen Flachpaßfälscher bereits an der Grenze abweisen. Zur Gefahrenabwehr (vulgo: deutsche Viererkette) werden die Stadien durch zusätzliche Barrieren gesichert (Zaun vors Tor).
Gut, das ist nicht sehr witzig, aber ist ein Fußballgipfel bei Angie vielleicht weniger deprimierend?
Immerhin sind wir dem Bündnis für Currywurst damit einen großen Schritt näher gekommen, für das ich bereits ein für alle demokratischen Parteien zustimmungsfähiges Konzept erarbeitet habe.

Für sein Verbrechen, im Vietnamkrieg desertiert zu sein, muß sich ein 56-Jähriger nun vor einem Kriegsgericht verantworten. Vaterlandsverräter können offenbar auch nach 38 Jahren nicht auf Verjährung hoffen, zumal das einzig Falsche am Vietnamkrieg ja die Niederlage war. Das sollten sich alle diejenigen genau anschauen, die glauben, sie dürften sich vielleicht beim Araberdressieren heimlich von der Streckbank entfernen. Da ist nämlich auch der Arm der Gerechtigkeit verdammt lang!

Opfer des Pinochet-Regimes verklagen derzeit den Staat Chile auf Entschädigung für die zwischen 1973 und 1990 erlittenen Qualen und Verluste. Diese Verfahren sollten an ein internationales Gericht weitergeleitet werden. Dann könnte man vielleicht bald schon durchrechnen, welche finanziellen Folgen Guantanamo Bay noch zeitigen wird. Vielleicht lohnt es sich gar nicht, Verdächtige so zu lagern, und damit wäre der US-Regierung endlich ein gutes Argument an die Hand gegeben, wenigstens die Unschuldigen freizulassen.

Immer wieder, immer noch: Die Vogelgrippe!
Nachdem die Wasservögel schon im Herbst Müntefering totgeschlagen haben, hat es jetzt den Außenminister erwischt. So viel Spaß hatten wir selten mit einem Virus! Zeichenleser unken schon, H5N1 mutiere zu einem tödlichen Untersuchungsausschuß. Schaumermal…

Danke der Nachfrage, aber:
Warum sollte ich meinen 17 Frauen im Exil auf den Knopf drücken, während sie eklige Dinge verköstigen? Für die 20000 Euro? Da geb ich lieber eine ab und kaufe zwei neue, so habe ich eine mehr!
p.s.: Schneebälle find ich doof. ;-)

Einen “nationalen IT-Gipfel” will sie, die Bundeskanzlerin. Und außerdem einen “Rat für Innovation und Wachstum”, geleitet vom ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von
Pierer. Daß es Innenpolitik gibt für Frau Merkel, ist ja ein erfreuliches Novum. Aber solche? Offenbar glaubt sie, das Kanzlern bestehe hauptsächlich in der Berufung sinnloser Expertenrunden. Schon beim ersten Versuch hätte sie damit ihren Vorgänger in den Schatten gestellt, der seine Promi-Freunde immerhin mit wichtigen Problemen beschäftigt hat und ihnen wahlkampfentscheidende Versprechungen abrang.
Was soll das sein, ein “IT-Gipfel”? Was geht das Schicksal der technologischen Entwicklung die Kanzlerin an? Hat sie keine anderen Probleme?
Aber nehmen wir das einen Augenblick lang ernst, denn es sind ja durchaus wohlklingende Pläne damit verbunden. Der Ausbau des Breitbandnetzes zum Beispiel. Ich selbst habe erlebt, was es bedeutet, im Glasfaserland zu hocken, und um die Ecke haben sie alle DSL. Das ist ein furchtbares Schicksal! Jedem sei gegönnt, wenn ihm das erspart bleibt. Das Problem hätte längst gelöst sein können, aber die Reste des Postmonopols haben sich leider nicht um die Interessen ihrer Kunden geschert. Ob es vor diesem Hintergrund schlau ist, sich mit der Netzmafia an einen Tisch zu setzen? Es ist zu fürchten, daß genau das passiert. Die Telekom wird betteln, ihnen die “letzte Meile” bis zum Jahr 2222 zu überlassen, und dafür gibt es neue DSL-Zugänge auf mindestens fünf Straßen in Meklenburg-Vorpommes. Das wird dann als großer IT-Kompromiß gefeiert.
Und was kommt als nächstes? Die große Bierqualitätsoffensive? Konzertierte Winterpullistrickaktion? Bündnis für Currywurst?
Na schönen Dank im Voraus!

Während die Welt versucht, Iran davon abzuhalten, Atomwaffen herzustellen, um nicht derart Israel zur prophylaktischen Sterbehilfe zu provozieren, fällt die Bush-Administration diesen Bemühungen auf jede erdenkliche Art in den Rücken. Alle Argumente nämlich, die gegen die iranische Bombe sprechen, sprechen ebenso gegen eine Aufrüstung des indischen Subkontinents. Genau das aber treiben die Amerikaner mit Macht voran. Der Atomwaffensperrvertrag wird dort ebenso mißachtet wie die Interessen des islamischen Nachbarn Pakistan. Hinzu kommt, das die Regierung Musharaff, die dadurch brüskiert wird, schon ohne derartige Provokationen nur mit größter Mühe einen prowestlichen Kurs fährt. Vermutlich halten Bush und seine Hintermänner das für einen ausgebufften Coup: Sollte Pakistan eines Tages von radikalen regiert werden, hätte man mit Indien einen starken Partner – womit man ganz folgerichtig schon heute die Radikalen in Pakistan stärkt.
Same Bullshit as everywhere, Mr. President: Anstatt irgendwann zu kapieren, daß nur der Dialog auf Augenhöhe zu stabilen und friedlichen Verhältnissen führen kann, setzt er auf “Stärke”. Diese besteht darin, mehr Waffen zu haben als andere, auf Verhandlungen und Verträge zu pfeifen und das Arsenal rücksichtslos einzusetzen. Eines wird er damit erreichen: Daß muslimische Regierungen seinem Beispiel eifrig folgen.

Wenn ein Staat beweist, daß er die Menschenrechte mit Füßen tritt, überdies über Massenvernichtungswaffen verfügt und diese auch bereits gegen Zivilbevökerung einegsetzt hat, darf man dann von einem Schurkenstaat sprechen?
Natürlich nicht, wenn der Staat demokratisch ist und zu den Guten gehört. Was man alles im Namen des Guten tun kann, um die Mächte des Bösen abzuwehren, kann man u.a. bei
tagesschau.de nachlesen. Man fragt sich, wie das alles passieren konnte. Pinochet hat’s doch genau so gemacht, und niemand konnte damals Protokolle der Verhöre und Verschleppungen lesen. Das ist die Folge, wenn liberale Richter in der Terrorabwehr herumpfuschen. Eine Schande für die Freie Welt!

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